Deutsche Hersteller müssen Kosten kontrollieren, um ihre Tugenden im Wettbewerb auszuspielen

Zürich, 04. August 2023

Pressemitteilung

  • Während die Produktion europäischer Hersteller anzieht, lässt die Nachfrage nach E-Autos leicht nach
  • Im Kampf um Marktanteile liefern sich die Autobauer eine BEV-Rabattschlacht, die nun Europa erreicht
  • Auf ihrem Heimatmarkt können deutsche OEMs ihre Vormachtstellung noch behaupten, geraten aber zunehmend unter Druck
  • Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sie ihre Kosten und Lieferketten kontrollieren

Der Absatzboom reinelektrischer Fahrzeuge (Battery Electric Vehicle, BEV) hält in Deutschland sowie in der Schweiz an – und führt zu einem immer stärkeren Druck auf Preise und Margen. Das zeigt der «Electric Vehicle Sales Review» von PwC Autofacts® und Strategy&, der Strategieberatung von PwC, in dem die Neuzulassungszahlen in weltweit 20 ausgewählten Märkten ausgewertet werden. In Deutschland wurden im zweiten Quartal 2023 demnach 50,1% mehr BEVs verkauft als im Vorjahreszeitraum, in der Schweiz lag der Zuwachs bei 40,8%. Für beide Länder bedeutet das einen deutlichen Sprung im Vergleich zum Quartal davor, in dem der Zuwachs in Deutschland bei 13,2% und in der Schweiz bei 16,2% lag. Durch das kräftige Wachstum erreichen BEVs im ersten Halbjahr in Deutschland einen Marktanteil von 15,8% und durchbrechen damit die Schwelle zum Massenmarkt. Im gleichen Zeitraum verlieren Plug-In-Hybride (PHEV) dagegen weiter an Boden und machen nur noch 5,7% aller Neuzulassungen aus. In der Schweiz liegt ihr Anteil bei 8,6%.

BEV-Rabattschlacht erreicht Europa
Nachdem die Nachwehen von Covid-19 sowie des weltweiten Chip-Engpasses schwinden, zieht die Produktion der europäischen Autobauer wieder an. Allerdings gehen zugleich die Auftragseingänge leicht zurück. In dieser Situation sehen sich die OEMs vor die Entscheidung gestellt, ihre Produktion zu drosseln oder ihre Fahrzeuge stärker zu rabattieren. Die Daten des Electric Vehicle Sales Review zeigen, dass die Autobauer am deutschen Markt verstärkt auf Rabatte setzen und diese auch für BEVs gewähren. So kletterte der durchschnittliche Preisnachlass für BEVs im Premiumsegment innerhalb eines Monats um 26,6%* und betrug im Juli dieses Jahres 13,8%*. Im mittelpreisigen Segment lag der Durchschnittsrabatt bei 11,1%*, was einem Anstieg von 30,6%* im Vergleich zum Vormonat entspricht. Lediglich im Volumenmarkt, in dem weiterhin die höchsten staatlichen Kaufprämien locken, blieben die Rabatte weitgehend gleich.

Wenn vor allem die europäischen Hersteller ihre traditionellen Stärken bei Produktqualität und Integrationsfähigkeit ausspielen wollen, müssen sie ihre Kosten besser als bisher kontrollieren: «Die Verschnaufpause, die das BEV-Angebot künstlich verknappt und nicht zuletzt europäischen Herstellern grosse Gewinne beschert hat, ist vorüber. Mit dem Eintritt in den Massenmarkt herrschen nun auch im Elektrosegment normale Marktbedingungen – mit allem, was dazu gehört», sagt Thilo Bühnen, Automobilexperte bei Strategy& Schweiz. «Die Early-Adopter und Überzeugungskäufer haben sich eingedeckt. Nun wollen die Mainstreamkäufer zugreifen, die jedoch härtere Kriterien hinsichtlich Produkt und Preis anlegen. Die europäischen OEMs werden aktuell in einen Preiskampf gezwungen, den sie nur bestehen können, wenn sie noch Puffer bei den Kosten haben. Am Ende werden jene Marken als Sieger vom Feld gehen, die ihre Lieferketten wie beim Verbrenner üblich kontrollieren und mit alltagstauglichen Fahrzeugen im Volumenmarkt überzeugen.»

Drohende Oligopolbildung auf dem Batteriemarkt
Der Hochlauf der Batteriezellfertigung in Europa geht unterdessen in grossen Schritten voran. Der chinesische Marktführer CATL hat im thüringischen Arnstadt nach fünfjähriger Bauzeit ein Werk mit einer jährlichen Speicherkapazität von 14 Gigawattstunden eröffnet. Ein noch grösseres Werk ist in Ungarn geplant. «Mit dem Ausbau der Batteriezellfertigung in Europa macht der Hochlauf der Elektromobilität einen grossen Sprung nach vorn. Allein mit der deutschen Produktionskapazität von CATL können 200‘ooo Plug-In-Hybride ausgerüstet werden und damit ein knappes Fünftel aller in Deutschland produzierten Fahrzeuge. Gerade die deutschen Hersteller stehen nun allerdings vor der Frage, ob sie sich in eine starke Abhängigkeit von Batteriezulieferern begeben sollen, die mit günstigen Konditionen bei Exklusivabnahmen locken, um in der aktuell kritischen Phase Kosten zu senken. Oder ob sie dem Werben widerstehen und durch den Aufbau eigener Fertigung die strategische Kontrolle über die Lieferketten langfristig zurückzuerlangen», sagt Thilo Bühnen.

*Preisnachlass ohne Umweltprämie

Über Strategy&
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