Das Absatzwachstum reinelektrischer Fahrzeuge (Battery Electric Vehicle, BEV) beschleunigt sich in der Schweiz erneut. Das zeigt der «Electric Vehicle Sales Review» von PwC Autofacts® und Strategy&, der Strategieberatung von PwC, in dem die Neuzulassungszahlen in weltweit 20 ausgewählten Märkten ausgewertet werden. Demnach wurden in der Schweiz im dritten Quartal dieses Jahres 53% mehr BEVs zugelassen als im Vorjahresquartal. Im zweiten Quartal hatte der Zuwachs lediglich 41% betragen. Batterie-Autos erreichten damit im dritten Quartal einen Marktanteil von 22%, was einem Plus von 6 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahresquartal entspricht. Für die ersten 9 Monate des Jahres liegt der BEV-Marktanteil bei knapp unter 20% – fast jedes fünfte neu zugelassene Auto war somit ein reiner Stromer.
Europa droht eine neue Nord-Süd-Schere
Der BEV-Siegeszug setzt sich voraussichtlich auch im kommenden Jahr fort. Für die USA prognostiziert die Studie ein BEV-Wachstum von 27%, für China ein Plus von 34%, für die fünf europäischen Kernmärkte Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien sowie UK einen Anstieg von 43%. Während sich Europa damit an die Spitze setzt, zeichnet sich innerhalb des Kontinents ein Nord-Süd-Gefälle ab. So haben BEVs in Deutschland, Frankreich, der Schweiz und UK inzwischen die Grenze von 16% Marktanteil, die als Eintrittsbarriere in den Mainstreammarkt gilt, durchbrochen. Spanien (6%) und Italien (4%) dagegen verharren bei der BEV-Marktdurchdringung im einstelligen Bereich, was sowohl die jeweiligen staatlichen Klimaziele als auch die der gesamten EU in Gefahr bringt.
«Trotz regional unterschiedlicher Geschwindigkeiten setzt sich die Transformation der Automobilbranche mit rasantem Tempo fort. Gerade die europäischen Hersteller haben – nach einer Findungsphase – die Herausforderung angenommen und melden sich mit mutigen und technisch exzellenten Modellen zurück», sagt Thilo Bühnen, Automobilexperte bei Strategy& Schweiz. «Wir sehen immer mehr Modelle, die den Nutzungsanforderungen der Kund:innen entsprechen, aber vor allem das Markenerlebnis stärker emotionalisieren. Um den Abstand zu den Marktführern aus China und USA zu verkürzen, müssen sie jedoch das Angebot an preislich wie technisch wettbewerbsfähigen Modellen weiter ausbauen. Dafür müssen die Hersteller die Lieferkette – und damit die Kosten – noch stärker kontrollieren als bisher.»
Plug-in-Hybride erleben zweiten Frühling
Beim Kampf um Marktanteile könnten zumindest mittelfristig auch Plug-in-Hybride (Plug-in Hybrid Electric Vehicle, PHEV) wieder eine stärkere Rolle spielen. Die Brückentechnologie feierte im dritten Quartal dieses Jahres in fünf Kernmärkten ein Comeback – und übertraf reine Stromer in Frankreich, Italien, UK, China sowie den USA bei den Wachstumsraten. Gerade im mit Abstand grössten E-Mobilitäts-Markt China zeigte sich diese Entwicklung besonders deutlich. Die PHEV-Zulassungen stiegen hier im Vergleich zum Vorjahresquartal um 71%, während die BEV-Absätze um nur noch 16% zulegen konnten. Hauptgrund für den zweiten Frühling der PHEVs in China ist das breite Angebot zu attraktiven Preisen. Auch in der Schweiz legten die PHEV-Absätze mit 32% Wachstum im Vergleich zum Vorjahresquartal deutlich zu, blieben aber hinter den BEV-Wachstumsraten zurück. Der PHEV-Marktanteil für das gesamte bisherige Jahr liegt somit bei knapp unter 9%.
Batterieinnovationen weiterhin als Game Changer
«Chinesische Marktführer zeigen aktuell sehr gut, wie sie sich mit neuartigen Lithium-Eisenphosphat-Akkus (LFP), die günstig, kälteresistent und schnell zu laden sind, gerade im unteren und mittleren Segment vom Markt einsetzen können. Die europäischen Hersteller haben hier noch wenig entgegenzusetzen, weil sie bislang vor allem auf leistungsstärkere, aber auch teurere Akkus für das mittlere und obere Segment gesetzt haben», sagt Thilo Bühnen. «Um künftig in allen Segmenten mithalten zu können, müssen sie auch in eigene LFP-Entwicklung und Fertigungen investieren. Die Herausforderung für die europäischen OEMs ist, ihre Wettbewerber nicht nur möglichst schnell einzuholen, sondern in absehbarer Zukunft auch an ihnen vorbeizuziehen.»