Globale Produktionsengpässe durch die Covid-19-Pandemie, aber auch immer unsicher werdende globale Versorgungsketten im pharmazeutischen Sektor, haben dem ohnehin stark wachsenden Markt für pharmazeutische Auftragsentwicklungs- und -herstellungsunternehmen (Contract Development and Manufacturing Organization, CDMO) jüngst zusätzlichen Aufwind beschert. Zulassungsinhaber (Marketing Authorization Holder, MAH) bauen infolgedessen zunehmend auf strategische Partnerschaften mit CDMOs, um sich schnell benötigte Kapazitäten zu sichern, aber auch Versorgungssicherheiten durch Multi-Sourcing zu erhöhen. Dieser Trend wird sich auch mit dem Aufkommen neuer und fortschrittlicher Therapien weiter fortsetzen, wie die Ergebnisse der aktuellen «Global CDMO Study 2022» von Strategy&, der Strategieberatung von PwC, zeigen. Für die Studie wurden 150 der weltweit grössten CDMOs in Europa, Nordamerika sowie in Asien analysiert.
MAHs sind Pharma- oder Forschungsunternehmen, die eine Marktzulassung zur Vermarktung bestimmter Arzneimittel besitzen. CDMOs können im Auftrag von MAHs bei der Forschung und Entwicklung sowie Fertigung dieser Präparate tätig sein – doch mit der wachsenden Bedeutung der Auftragsfertiger wandelt sich auch die Art ihrer Kooperation mit Pharmaunternehmen. 28% der untersuchten CDMOs bieten bereits ein umfangreiches Service-Portfolio für sämtliche Arzneimitteltypen – niedermolekulare («small molecules»), grossmolekulare («large molecules») und neuartige Therapien1 («advanced therapies») – an. Gleichzeitig sind 56% der weltweit grössten MAHs bereits selbst in der Auftragsfertigung aktiv, um zusätzliche Einnahmen zu generieren und Kosten zu absorbieren.
«Zulassungsinhaber, die derzeit an der Spitze der pharmazeutischen Arzneimittelherstellung stehen, verlassen sich zunehmend auf die technologische Expertise von CDMOs. Das gilt auch für den Markt für neuartige Therapien, einschliesslich der Zell-, Gen- und RNA-Therapien. Damit befinden sich CDMOs in der Pole-Position, um von einem der wachstumsstärksten Märkte zu profitieren und diesen massgeblich zu gestalten. MAHs wiederum sollten abwägen, welche Produktionstechnologien zur Auslagerung geeignet sind und welche Felder sie auch für die Zukunft strategisch weiter besetzen und ausbauen wollen», erläutert Dr. Jens Neumann, Co-Autor der Studie und Partner bei Strategy&.
CDMOs können im Rahmen von strategischen Partnerschaften mit MAHs von erhöhter Transparenz, grösserer Flexibilität, schnelleren Transaktionen und gemeinsamen Anreizen profitieren. Mit End-to-End-Services steigern CDMOs ihre Chancen einer strategischen Kooperation mit Pharmaunternehmen deutlich. 37% der untersuchten CDMOs bieten daher Dienstleistungen an, die von der Entwicklung über die Herstellung kommerzieller Arzneimittelsubstanzen und -produkte bis hin zur Verpackung die gesamte Wertschöpfungskette abdecken. 43% der analysierten Unternehmen, die sich hauptsächlich auf CDMO-Leistungen fokussieren («Pure Play»), sind mittlerweile als Full-Service-Provider mit End-to-End-Services tätig. Nur 17% von ihnen konzentrieren ihre Aktivitäten auf einen einzigen Schritt in der Wertschöpfungskette. CDMO-Geschäftsbereiche von MAHs sowie von Generikaherstellern folgen diesem Trend (38% bzw. 36% End-to-End-Services). Dienstleistungen im Bereich der Entwicklung sind bereits bei 92% der CDMOs in Nordamerika und 84% der CDMOs in Europa im Angebotsportfolio enthalten, während in Asien die kommerzielle Produktion von Arzneimittelsubstanzen am weitesten verbreitet ist und von 92% der CDMOs als Dienstleistung angeboten wird.
Neben der vertikalen Ausweitung zeigen sich CDMOs auch in der horizontalen Wertschöpfungsaktivität als strategische Partner für MAHs. Insbesondere «Pure Play»-CDMOs weiten ihr Serviceangebot auf die verschiedenen Produktionstechnologien kontinuierlich aus. Rund 38% der «Pure Play»-CDMOs sind in allen drei der genannten Bereiche aktiv, wobei 92% noch immer an der traditionellen niedermolekularen Herstellung beteiligt sind. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, ein risikoausgewogenes Portfolio traditioneller und neuartiger Therapien aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig bieten bereits 45% der «Pure Play»-CDMOs Dienstleistungen im Bereich von neuartigen Therapien an (im Vergleich zu 34% sämtlicher CDMOs innerhalb der Studie), und sind damit federführend im mit Abstand wachstumsstärksten Marktsegment.
«Strategische Allianzen sind ein wichtiger Schlüssel für MAHs und CDMOs, um neue Produkte einzuführen und sich langfristig am Markt zu behaupten. Voraussetzung hierfür ist der kritische Blick auf die eigene Gesamtstrategie, der auch die Wertschöpfungskette, Produktionstechnologien, Dienstleistungen und Standorte einbeziehen sollte. CDMOs sollten einen Fokus darauf legen, ihren Kunden ganzheitliche und effiziente Lösungen sowie Qualitätsprodukte anzubieten. Auf Seiten der MAHs ist der Aufbau eines professionalisierten CDMO-Managements ebenso essenziell für den langfristigen Geschäftserfolg wie die zielgerichtete Kommunikation über die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens an die eigenen Mitarbeiter:innen», schliesst Dr. Jens Neumann.
1 Arzneimittel für neuartige Therapien («Advanced Therapy Medicinal Products», ATMPs) sind Arzneimittel für die Anwendung beim Menschen, die auf Genen, Geweben oder Zellen basieren. In der vorliegenden Studie liegt der Fokus insbesondere auf Gentherapien, autologen und allogenen Zelltherapien sowie RNA-Therapien.